Europa muss seine Rolle in der Welt finden

Juli152018

von Dr. Mathias Höschel, 1. Vorsitzender Bundesverband Verrechnungsstellen Gesundheit e.V.

Man kann sich in diesen Tagen mit NATO-Gipfel, Brexit-Turbulenzen, Handelskonflikten und Trump-Eskapaden mit anschließendem Putin-Treffen einmal mehr fragen, ob die Welt, wie wir sie kennen, langsam aber sicher aus den Fugen gerät. Das NATO-Bündnis scheint zwar vorerst gerettet. Aber von der unverbrüchlichen transatlantischen Schicksalsgemeinschaft sind wir weit entfernt. Wir Europäer schummeln uns mit Scheinkompromissen in der Flüchtlingspolitik in die nächste Krisen-Runde. Die Briten glauben immer noch, der Bruch mit der EU gehe schadlos an Ihnen vorüber. Zu Putins Russland haben wir noch keine erfolgversprechende Position gefunden. Und auf die Konflikte im Nahen Osten und in Afrika fehlen passende Antworten.

Trumps Drohungen und Beschimpfungen sind beim Thema Handel maßlos überzogen und nicht geeignet, die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft in einigen Bereichen zu übertünchen. Er spielt mit falschen Zahlen und setzt die falschen Akzente, wenn er die Lastenverteilung im NATO-Bündnis allein von Waffenkäufen, vor allem bei der US-Rüstungsindustrie, abhängig macht. Europa gibt für’s Militär soviel Geld aus wie China und das Vielfache Russlands, wobei Konflikte immer weniger militärisch lösbar sein werden. Und ja, wir dürfen uns bei der Energieversorgung mit Northstream 2 nicht allzu sehr von Russland abhängig machen. Aber Trumps Behauptung von bis zu 70 % (es sind maximal 9 %) ist unseriös. Und ist Fracking-Gas aus den USA dann die Alternative?

Der knallharte Geschäftsmann Trump macht Politik zum eigenen, us-amerikanischen Vorteil. Statt zu lamentieren hat sich die deutsche und die europäische Politik endlich darauf einzustellen und die richtigen Antworten zu finden. Von Außenminister Maas habe ich dazu bisher wenig bis nichts gehört. Und wo ist der gemeinsame europäische Politikansatz? Im Vordergrund steht für mich dabei die Beantwortung der entscheidenden Frage: Welche Rolle will, kann und muss Europa künftig in einer Welt spielen, die sich mehr und mehr vom Multilateralismus verabschiedet.

Europa ist eine Erfolgsgeschichte. Nach zwei Weltkriegen mit Millionen Toten leben wir hier seit 73 Jahren in Frieden, Freiheit und wachsendem Wohlstand für alle. Das alles steht auf dem Spiel, wenn wir Europäer uns nicht emanzipieren und stärker als bisher eigene außen- und sicherheitspolitische Akzente setzen sowie den freien Welthandel verteidigen. Vielleicht wollte der polternde Trump, um es mal positiv zu sehen, uns Europäer ja nur in diesem Sinne wachrütteln.

 

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